Nature trouvée und andere Idyllen
Nature trouvée und andere Idyllen
Christoph Pöggeler findet jene Dinge, die ihm als Malgrund dienen, aus denen seine Objekte entstehen und die dem unermüdlich suchenden Tastinstrument seiner spielenden künstlerischen Phantasie vor die Fühler kommen. Kokosnüsse, Bücher, Karten, Bilder, Abbildungen, Bretter und Furniere sind die Gegenstände, aus und auf denen seine ironisch-idyllischen Bildwelten entstehen. Pöggeler ist einer, der im engen Kreislauf mit den Dingen und ihrem Zustand, mit den Mustern ihrer Eigenart und Art und Weise, sie anzuschauen und aus ihnen Weitergehendes zu phantasieren, seine Bilder gestaltet.
Die Maserungsverläufe der Bretter und Furniere sind es zu Anfang gewesen, die ihn auf Wege geführt haben, die jenseits des Gewöhnlichen unserer Zeit verlaufen. Vielleicht sind die phantastischen Übungen des Barock es gewesen, die ihn auf den Weg führten, aus den natürlichen Verläufen von Form Verweise auf etwas anderes Gemeintes zu unternehmen. Jedenfalls entwickeln sich die Maserungen und Bearbeitungsreste von Holzflächen, von Schrankpaneelen und Platten, von Rückwänden und Türen zu weit angelegten, idyllischen Landschaften, zu Figurenreigen, zu anmutigen Kompositionen idyllischer Szenen in Wald und Flur. So arbeitet Pöggeler eigentlich mit zwei Ebenen des Vorgefundenen: das eine ist der Gegenstand, der Bildträger, die natürliche vorgegebene Form und ihre Verläufe, und das zweite sind die im Kopfe vorgefundenen Bilder, oder jene, die man beim Durchblättern der Bilderhalden unserer Zeit und der Vergangenheit findet: die einem nämlich die visuellen Standards vorgeben oder die Vorbilder fertiger Kompositionen liefern. So kann eigentlich alles, was uns umgibt, Anlass zur Gestaltung werden, und Pöggeler geht leichthändig mit dieser Omnipotenz des Sehenden um, die überall da zuschlägt, wo ihm Natur- oder Menschenwerk Anlass zum Weitersehen bietet. Pöggeler dominiert das Gefundene nicht, scheint doch die Achtung vor der „nature trouvée“ im „objet trouvé“ bei ihm zu groß, zu intensiv zu sein. Hier unterstützend, dort hervorhebend, begleitet er das, was Natur ihm schenkt, akzentuiert es, übergeht es aber niemals. So setzt er, wenn man genauer hinschaut, auch das Konzept der Collage fort, indem er Dinge zusammenfügt, die so nie zusammen waren, nicht zusammengehören. Insofern handelt Pöggeler nicht gegen die Zeit, sondern ist extrem zeitgenössisch; einer, der versucht herauszufinden, wie weit unsere Argumentation heute gehen kann, nachdem die großen Erfindungen des zwanzigsten Jahrhunderts vielfach in allen Richtungen durchexerziert worden sind.
Dass der Fundus des uns Bekannten Steinbruch ist für den, der mit ihm spielerisch umgeht, ist keine neue Erkenntnis. Neu ist indes in jedem Fall das spielerische Umgehen mit dem „objet trouvé“, das uns der Zufall in die Hände gibt; sein Ausloten und Weiterdenken. Pöggelers Malerei und Zeichnung, die auf den Bildbeständen der Vergangenheit aufbauen, verweigern sich nur scheinbar dem Zugriff auf das Ganze. Vielmehr kommen sie in einer Art von Camouflage daher, die wie die selbstgewählten Rollenspiele der Kinder in unserer modernen Zeit anmuten: Hier ist einer noch aus der Zeit der Elfenreigen, der Ritterspiele, der Liebespaare in einer Kokosnuss. Pöggeler findet Reste von Natur und in ihr die Geschichte der Kunst; seine Kommentare sind zeitgemäß, weil sie den Anschein von Modernität bewusst vermeiden.
Urich Krempel