TextsDie Spur aufnehmen, der Figur ein Bild geben.

Die Spur aufnehmen, der Figur ein Bild geben.

Die Spur aufnehmen, der Figur ein Bild geben.

Christoph Pöggeler studierte in der Klasse von Alfonso Hüppi an der Kunstakademie in Düsseldorf. Er begann dort im Jahr 1977 und schloss ab als Meisterschüler 1985.

Diese Daten hatte ich vor Augen, als ich mich daran machte, meine Gedanken zu den Arbeiten von Pöggeler zu Papier zu bringen. 1977 veröffentlichte Günter Metken das Buch „Spurensicherung“. 1982 erschien von Wolfgang Max Faust und Gerd de Vries die Publikation „Hunger nach Bildern. Deutsche Malerei der Gegenwart.“

Die von Metken in seiner Publikation aufgeführten Künstler korrespondieren in ihrem Vorgehen mit den Arbeitsweisen von Archäologen und Ethnologen. Sie sichern Spuren als Gedächtnisträger, spüren über Details und Fragmentarisches wieder ein Ganzes auf, geben dem sprachlosen Relikt wieder einen Artikulationsrahmen. Ein Bild wird über das Sammeln, Dokumentieren, Arrangieren und Inszenieren nachgezeichnet und erscheint auch in Kooperation mit dem Vorstellungsvermögen des Betrachters wieder in seiner vollen Ausmalung.

Im Klappentext von „Hunger nach Bildern“ liest man: „Nach der Medienvielfalt der 70er Jahre – der vor allem intellektuell ausgerichteten konzeptuellen Kunst, der Arbeit mit technischen Medien wie Foto, Film, Video, mit Aktionen, mit der Landschaft oder dem eigenen Körper – gibt es nun eine Rückkehr zur Malerei, die einem „Hunger nach Bildern“ gleichkommt.“ Das Buch relativiert allerdings diese Aussage, denn mehr als die Hälfte seiner Seiten sind der „Vorgeschichte“ gewidmet, mit einem überaus starken Düsseldorfer Anteil für die 70er Jahre: Gotthard Graubner, Jörg Immendorff, Anselm Kiefer, Konrad Klapheck, Dieter Krieg, Markus Lüpertz, Sigmar Polke, Gerhard Richter.

In diesem Spannungsfeld von Konzeptuellem, fiktiver Wissenschaft und einem Panorama elaborierter Malereipositionen navigiert in dieser Zeit die Klasse Hüppi an der Düsseldorfer Kunstakademie. Pöggeler transferiert die Reibungsflächen der behaupteten künstlerischen Ausschließlichkeiten in die Entwicklung seines OEuvres. Pöggeler ist Spurensicherer und Maler in einem.

Seine Arbeitsfelder sind gefundene Hölzer aus dem Gebrauchskontext mit deutlicher Maserung, des weiteren Kokosnussschalen, Stoffbespannungen, Schallplatten, rostiges Gerät wie auch vergilbtes Druckmaterial. Die Natur hat dem Material Spuren eingeschrieben. Die Witterung hinterließ Einflüsse und der Gebrauch hat es gezeichnet. In all dem sieht Christoph Pöggeler ein engmaschiges Koordinatensystem. Er verbindet die von ihm fixierten Eckpunkte und kleidet Umrisse aus. Wenn Leonardo behauptet, im Gebilde der Wolken und dem blättrigen Putz einer Wand kraft seiner Phantasie ganze Schlachtenbilder zu sehen, dann macht Pöggeler mit dieser Vision ernst. Er formt die Vorgaben auf den Bildträgern über seine Gedankenbilder zu anschaulichen Szenen aus. Der Werkstoff Holz leitet ihn immer wieder an, in der Ausmalung der Oberflächenstrukturen zu einzelnen Bäumen, aber auch bewaldeten Szenerien zu kommen. Maserungen gleichen oft den sanften Wellen eines Gewässers. So lässt Pöggeler Schwimmer eintauchen in das von ihm ins kühle Nass transferierten Brett. Gerade diesen Szenen ist der Reiz der Idylle nicht fremd. Die Bilder vom Wald in Barbizon kommen hier zu einer entfernten Enkelgeneration.

Während Pöggeler als Maler seine Motive aus dem Grund des Bildträgers herausschält und ihnen dabei eine Zurückhaltung im Auftritt belässt, verfolgt der Bildhauer Pöggeler ein anderes Ziel. In seinem auf mehrere Jahre hin angelegten Projekt „Säulenheilige“ exponiert er die Figur. Die Litfaß-Säule, ein exponiertes Möbel im städtischen Betrieb, die über Position und Ummantelung die visuelle Aufmerksamkeit sucht, wird ihm zum Skulptursockel. Waren die Säulenheiligen in der Spätantike Asketen, diein der Höhe exponiert Gott und dem  Kosmos näher sein wollten, so platziert Pöggeler Liebespaare, Vater-Mutter-Kind-Gruppen wie auch Urlauber und Geschäftsmänner auf den Litfaßsäulen. Diese Figuren transportieren nicht die der Skulptur im öffentlichen Raum abgeforderten Botschaft, die sie in ihrem standardisierten legionenhaften Auftritt haben verstummen lassen. Bei Pöggeler sind die Dargestellten einfach da und fallen dadurch um so mehr auf, als sie in ihrer Normalität durch den Kunstgriff der Höhenverschiebung aus dem dichten Gefüge städtischer Betriebsamkeit herausgehoben sind. So korrespondieren endlich doch die Pöggeler’schen Arbeitsweisen miteinander. Dem Nachzeichnen in den Gründen des Bildträgers entspricht bei der Skulptur das Sezieren und Transformieren der Einzelfigur aus einer pulsierenden Melange, einem Gefüge, welches die Lebensadern der Stadt in stete Vibration versetzt. So kommt der spurensichere Pöggeler zu exponierten Figurationen als Maler und Bildhauer.

Hans-Werner Schmidt
Leipzig, im August 2007